Epoche im Fokus: Barock (ca. 1600–1720)

Jeden Monat stellen wir hier auf dem Poesi-Blog eine prägende Epoche der deutschen Literatur vor. Diesen Monat ist es der Barock.

Der Barock auf einen Blick

Was den Barock ausmacht

  • Historischer Kontext: Dreißigjähriger Krieg, Reformation des 16. Jahrhunderts und ihre Folgen (Gegenreformation)
  • Höfisch geprägtes Umfeld der DichterInnen
  • Literarische Motive und Themen: vanitas (Vergänglichkeit des Lebens), carpe diem („Nutze den Tag“), memento mori (Bedenke, dass du sterben wirst), Zuneigung zu Gott, unerfüllte Liebe
  • Rhetorische Mittel: Überladene Darstellung von Objekten und Themen, viele Sinnesverknüpfungen, Antithetik, Metaphern (verbrennende Kerze, abgeblühte/verwelkte Blumen, Totenkopf, Himmel und Erde, petrarkistisches Frauenlob [Marmorbrüste, Blicke wie Pfeile etc.])

Gattungen: Gedichte (v.a. Sonette), Romane, Tragödien/Komödien

Einige Hauptwerke: Ach Liebste/laß vns eilen (Martin Opitz, 1625, Gedicht), Es ist alles eitell, Threnen des Vatterlandes / Anno 1636 (Andreas Gryphius, 1643, Gedichte), Buch von der Deutschen Poeterey (Martin Opitz, 1624, Poetik)

Vertreter: Paul Fleming, Catharina Regina von Greiffenberg, Andreas Gryphius, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Martin Opitz, Sibylla Schwarz, Angelus Silesius, Kaspar Stieler


Vor und während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) entstand in der Literaturgeschichte die Epoche und Stilrichtung des Barock (1600-1720). Das vom Kriegstrauma der Menschen geprägte Weltbild, der Krieg an und für sich, aber auch Themen wie die Liebe wurden oftmals in barocken Gedichten mithilfe von Gegensätzen (Antithetik) thematisiert.

Barock: Vergänglichkeit und Genuss des Lebens

Ausgangspunkt stellte hierbei das Bewusstsein der Vergänglichkeit alles Diesseitigen (vanitas) dar, welches mit Lebenslust (carpe diem) und Lebensangst (memento mori) kontrastiert wurde. Einerseits waren die Menschen voller Tatendrang, andererseits wiederum sehr ehrfürchtig sowohl vor der Endlichkeit des Lebens als auch der Religion. Sie dachten sich: Das Leben im Hier und Jetzt ist endlich, wohingegen das Leben im Jenseits das alleinig dauerhafte ist – beides müssen wir angemessen bedenken. Dichter setzten sich deshalb explizit mit dem Thema Vergänglichkeit auseinander, wie auch mit Sehnsucht nach Unendlichkeit.

Die Barockliteratur, speziell ihre Lyrik, verfolgte eine nach klaren Prinzipien gestaltete Ordnung. Ein Beispiel dafür ist das im Barock häufig vorzufindende Sonett, das aus der italienischen Lyrik, speziell dem Petrarkismus stammt (hier ein Beispiel für ein solches Sonett inkl. Interpretation). Dabei erfreuten sich Allegorien großer Beliebtheit, sorgten sie doch für Bildhaftigkeit. Eine Sanduhr symbolisierte etwa Vergänglichkeit, ein Totenkopf die Unausweichlichkeit des Todes und ein Kind die Jugend.

Als Regelwerk zum Verfassen von Texten galt in der deutschen Lyrik ab 1624 das von Martin Opitz publizierte Buch von der Deutschen Poeterey. In seinen Acht Bücher Deutscher Poematum veröffentlichte Opitz ein Jahr später selbst nach diesen Regeln verfasste Gedichte. Andere Lyriker folgten mit ihren Werken, etwa Paul Fleming und Andreas Gryphius.

Die ebenfalls im Entstehen begriffene Prosadichtung zur damaligen Zeit umfasste neben Reiseberichten auch Romane, Schwänke oder aber auch den Schelmenroman. Der bekannteste Schelmenroman ist Der abenteuerliche Simplicissimus von Grimmelshausen, ein unterhaltsames und teilweise sehr skurriles Stück Weltliteratur.


Die Epoche in einem Zitat:

WAs sind wir menschen doch? ein wohnhaus grimmer schmertzen. / Ein baall des falschen glücks / ein irrlicht dieser zeit. / Ein schawplatz herber angst / vnd widerwertikeit / Ein bald verschmeltzter schnee vnd abgebrante kertzen.

Andreas Gryphius: Menschliches Elende

Gedichtbeispiel

Es ist alles eitell (1643)
von Andreas Gryphius

DV sihst / wohin du sihst nur eitelkeit auff erden.
    Was dieser heute bawt / reist jener morgen ein:
    Wo itzund städte stehn / wird eine wiesen sein
Auff der ein schäffers-kind wird spilen mitt den heerden.
Was itzund prächtig blüht sol bald zutretten werden.
    Was itzt so pocht vndt trotzt ist morgen asch vnd bein.
    Nichts ist das ewig sey / kein ertz kein marmorstein.
Jtz lacht das gluck vns an / bald donnern die beschwerden.
    Der hohen thaten ruhm mus wie ein traum vergehn.
    Soll den das spiell der zeitt / der leichte mensch bestehn.
Ach! was ist alles dis was wir für köstlich achten /
    Als schlechte nichtikeitt / als schaten staub vnd windt.
    Als eine wiesen blum / die man nicht wiederfindt.
Noch wil was ewig ist kein einig mensch betrachten.


Andreas Gryphius greift in seinem Sonett Es ist alles eitel deutlich das Motiv der Vergänglichkeit (vanitas) auf, was unter anderem an der Gegenüberstellung von makaberen Gegensätzen deutlich wird. So heißt es beispielsweise „Wo itzund städte stehn / wird eine wiesen sein“ oder „Was itzt so pocht vndt trotzt ist morgen asch vnd bein.“. Damit erinnert er insbesondere an die Vergänglichkeit menschlicher Werke: Das Heute gibt uns keine Auskunft über das Morgen.

Das Gedicht wirkt wehmütig, geradezu voller Sehnsucht und greifend nach Unendlichkeit. Dieses Sonett entstand während des Dreißigjährigen Krieges, einer Zeit voller Leid, Elend und Gewalt.1Bis zum Ersten Weltkrieg galt der Dreißigjährige Krieg als der schlimmste Krieg, den Europa und die Welt je gesehen hatte – schlimmer als alle Schlachten der Französischen Revolution oder des Deutsch-Französischen Krieges Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Zeit machte den LyrikerInnen deutlich: Der Mensch ist dazu bestimmt, zu sterben. 

Dass dies jedoch von Gryphius nicht bloß negativ, vielmehr inspirierend, gemeint ist, wird in der letzten Strophe eindrucksvoll deutlich: Die Seele der Menschen wird nach dem Tod weiterleben! Das Gedicht stützt sich auf die Idee, dass allein der Körper, nicht jedoch die Seele vergänglich ist. Es ist das nicht Greifbare, das den Menschen auszeichnet – welches unabhängig von Raum und Zeit existiert; kein Krieg zerstört es, wenngleich es natürlich beeinflussbar ist. 

Aber das Sonett zeigt in jedem Fall: Ganz egal, wie schrecklich das Leben damals war, in Zeiten von Krieg und Trauer – der Gedanke an das Leben nach dem Tod hat vielen durch eine schwere Zeit verholfen, ihnen Mut gemacht durchzuhalten und eben nicht aufzugeben.

Foto: Pixabay

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