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Sophie Mereau: „In Tränen geh ich nun allein“

Neben Friedrich Hölderlin wird auch die Lyrikerin Sophie Mereau (1770–1806) in diesem Jahr – genauer: heute – 250 Jahre alt.

Aus diesem Anlass ist ihr heute die erste Poesi-Gedichtinterpretation gewidmet, die auf diesem Blog veröffentlicht wird.

Kurze Auslegungen von Gedichten der deutschen und englischen Literaturgeschichte werden ab sofort regelmäßig hier erscheinen. Es ist geplant, sie und weitere Interpretationen bald als Lektürehilfen für Schüler, Studierende und andere Interessierte auch in der App anzubieten.


In Tränen geh ich nun allein

In Tränen geh ich nun allein,
am Quell – Du kennst ihn wohl.
Ich blicke in den Bach hinein,
daß er mich trösten soll.

Du freundlich Liebesangesicht,
wie bist du doch so fern!
Dich bringt mir nun kein Tageslicht,
bringt nicht der Abendstern.

Mein Leben schließt die Augen zu,
weil es Dich nicht mehr sieht,
indes in Träumen ohne Ruh
mein Herz stets zu Dir zieht.

Die leise Welle rinnet klar,
und zeigt den grünen Grund.
O! Welle mache offenbar,
was wohl mich macht gesund!

Die Welle schweigt und fliehet bald,
doch unten frisch und hell
grünt wundervoll ein Pflanzenwald
bedeckt vom klaren Quell.

Und aus dem frischen Wasserreich
steigt hell der Trost zu mir:
»Es grünet so der Hoffnung Zweig
auch unter Tränen Dir.«

Sophie Mereau


Sophie Mereau, die mit nur 36 Jahren starb, kam in der Zeit um 1800 in Jena mit Schriftstellern zusammen, die heute als wichtige Repräsentation der Frühromantik bekannt sind: Friedrich Schlegel, Achim von Arnim und Clemens Brentano, den sie 1803 heiratete. Mereaus Lyrik ist gerade auch aufgrund ihres Einflusses stark romantisch geprägt.

Romantik: Natur, Liebe, sehnsuchtsvolle Melancholie

An „In Tränen geh ich nun allein“ ist dies gut zu erkennen. Das sechsstrophige Gedicht hat den Charakter eines romantischen Kunstlieds: vierhebige und dreihebige Jamben wechseln sich ab, es ist ein durchgängiger Kreuzreim vorhanden. Die Natur und die melancholische Liebe, zwei Kernthemen der Romantik, stehen inhaltlich im Vordergrund.

Der Sprecher oder die Sprecherin (?) spaziert einsam an einem Bach, der „trösten soll“. Warum? „Du freundlich Liebesangesicht, / wie bist du doch so fern!“ – Einsamkeit eines liebenden Menschen beherrscht in diesen Versen die emotionale Ebene des Textes. In „Träumen ohne Ruh“, so geht es weiter, sehnt sich der Mensch nach einem anderen, geliebten Menschen. Aber es ist vergebens.

Ein hoffnungsvolles Ende

Im zweiten Teil, ab der vierten Strophe, keimt aber trotz alledem Hoffnung auf, und zwar dank der Natur.

Der Bach wird in diesem Kontext zunächst zum Sinnbild der Trauer. Dann gibt aber eine klare Welle den Blick frei auf „grünen Grund“, auf dem „frisch und hell“ ein wundervoller „Pflanzenwald“ zu sehen ist. Der Ton wird heller, optimistischer.

Die grüne Farbe der Pflanzen steht abschließend, das ist die abschließende Erkenntnis des/r Wandernden, für „der Hoffnung Zweig“. Dieser findet sich unter den vielen Tränen, die wiederum durch das Quellwasser in der Natur symbolisiert werden, im Gefühlsleben wieder und gibt am Ende Anlass zu einer vorsichtigen Freude und Positivität.

Weitere interessante Gedichtinterpretation

Foto: Scherenschnitt Sophie Mereau, um 1795

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