Isabella Krainer: Vom Kaputtgehen
Belanglosigkeiten: Sie sind im neuen Buch von Isabella Krainer hin und wieder nicht das, was sie zu sein scheinen – meist aber leider doch.
Das zentrale Anliegen von Isabella Krainers neuem Lyrikband, der im Innsbrucker Limbus Verlag erschienen ist, liegt in der Absteckung einer Lebensgeschichte. Sie führt von der Kindheit über die Pubertät bis zum Erwachsenenleben eines (durchschnittlichen) Menschen, eher einer Frau denn eines Mannes.
Krainer und ihr Alltag – und mehr nicht?
Von der Notwendigkeit ihres Erzähltwerdens überzeugen kann diese Lebensgeschichte leider nicht. Sie beginnt unheimlich schwach. Halbgewitzte Allerweltsvergleiche beschreiben Geburt („auf bewährung / draußen“), Krabbelgruppe („statisch / aufgeladene / bodentruppe“) oder familiäre Schieflagen („ist mama / bei der arbeit / trinkt papa / viel bier“). Meist ist der Ton der eines gewollt bissigen Aphorismus, dem das Lyrische genauso wie das Unerwartete meist abgeht.
Das wäre zu verschmerzen, wenn Isabella Krainer eine andere Ebene anvisieren wollen würde, etwa eine dezidiert politische oder melancholische. Aber das geschieht auf den ersten gut 45 Seiten zunächst ebenfalls nur halbherzig. Sie bedient sich unmotiviert gesellschaftliche Missstände anklagender Verse, die mal in Richtung Genderproblemen, mal in Richtung Jugendschwangerschaft, mal in Richtung schlechter Ernährung zielen. Die einzige Erkenntnis aus diesen ist: Wer zu viel will, streift das wirklich Wichtige höchstens nur kurz.
Etwas mehr Kohärenz und Weitsicht gewinnt das Buch in der zweiten Hälfte. In ihr wird das titelgebende Kaputtgehen vor allem von bürgerlichen Frauen in klassischen Geschlechterrollen verhandelt. Hier stellen sich ernsthafte Fragen der Identität, deren Spuren auch über mehrere Texte hinweg auffindbar sind.
Ende gut, alles gut?
Gedichte wie „hochzeitstag“ und „ausschaltquote“ über gescheiterte Ehen und Frauenmorde sind länger als die meisten im ersten Teil – und entfalten dadurch direkt eine viel tiefgreifendere Stimmung. Es werden wichtige Positionierungen zu gesellschaftlichen Problemen deutlich. Gepaart mit Texten, die im positiven Sinne mehrmals gelesen werden können und müssen, weil sie nach und nach mehr zu bieten haben, zeigt Krainer gegen Ende, was sie mit immer noch wenigen, aber nicht mehr zu wenigen Ideen sagen kann. Da macht dann auch der österreichische Ton der zwischendrin umorthografierten Gedichte Sinn, denn er schreibt die gravierenden Themen dieser Gesellschaft und ihrer Kultur fester in den Lesenden ein.
Am Gesamteindruck des Bands kann dies alles allerdings trotzdem nur wenig ändern. Zu unstet ist die Qualität der Gedichte. Wenn das Buch mit Gedichten wie „freunde / die menschen / unter / den leuten“1Das ist das ganze Gedicht, ja. ausklingt, kommt unweigerlich der Lebensratgeber-Eindruck vom Anfang wieder. Und so bleibt von „Im Kaputtgehen“ weniger, als eigentlich davon bleiben sollte. Das Belanglose mag in Krainers Lyrik das Leben auf Umwegen schärfer stellen sollen – doch es ist dafür leider oft genug tatsächlich zu irrelevant.
Isabella Krainer: Vom Kaputtgehen. Gedichte. Limbus 2020. 96 Seiten. 15 Euro. (Bestellung)